Schnatterinchen-Titel oben nach unten
Schnatterinchen schreibt seit 6895 Tagen
Freitag, 7. April 2006
Pfeifen & Männer
Neulich nachts klingelt mein Telefon. Nachdem ich stolpernd nach einigen in der Stille ohrenbetäubenden Versuchen die richtige Taste zum Piepsen gebracht und ein verzweifelnd die Zunge manövrierendes "Hallo?" zustande bringe, höre ich einen Herren etwas sagen. Dieser wahrscheinlich muttersprachlich vorderasiatisch geprägte mir unbekannte Mann schien jedoch gerade an meiner bewegungsschwachen Aussprache Gefallen zu finden, jedenfalls sagte er mir, frei übersetzt, dass meine Sprechweise ihn in seiner erotischen Empfindung positiv anspricht. Ich sage hier "frei übersetzt", weil ich nicht glaube, ein Zitat zuwege zu bringen. Während des Telefonats war ich fest davon überzeugt, dass ich über Nacht die Fähigkeit erhalten habe, eine vorderasiatische Sprache - vielleicht Arabisch, vielleicht Türkisch oder was immer der Herr redete - verstehen zu können. Da diese Fähigkeit aber bei mir nicht reproduzierbar und auch sehr unwahrscheinlich ist, denke ich doch eher, dass ich in meiner nächtlichen Umnachtung etwas verwirrt war und den Mann teilweise deshalb verstanden habe, weil er tatsächlich versuchte, deutsch zu reden, und teilweise deshalb, weil ich in meinem bisherigen Leben häufiger mit S- und U-Bahn durch Kreuzberg und Neukölln gefahren bin.
Jener Herr jedenfalls sagte mir Dinge, die er wohl für Komplimente hielt, die meine Oma wohl rot anlaufen ließen und die ich - so mitten in der Nacht - für einfach völlig irrelevant hielt. Nach meinem ersten Wegnicken fand ich endlich die rote Taste. Nach einem befreienden Pieps war alles leise. Erstmal. Dann wieder Telefonklingeln, diesmal empfindlich zu nah an meinem Ohr. Und wieder hörte ich mir nicht zutreffende Aussagen über meine Kleidung - ich hatte einen Baumwollpyjama an, keine Dinge mit "Hakken die isch aufmache mitte Sssungä!" - oder meine Vorlieben für Namensgebungen oder Tätigkeiten. Was also tun?
Zu sämtlichen technischen Lösungen war ich zumindest in jener Nacht rein gedankenlenkend nicht in der Lage. Selbst wenn ich auf die Idee gekommen wäre, dass man eine Telefonverbindung trennen könnte, ich hätte mir doch nur auf der Suche nach der Schere den Fuss gestoßen.
Trillerpfeife? Keine akzeptable Lösung, wenn man kaum Wände hat, die diesen Namen verdienen und in Folge einen Nachbarn, der einen mittags freundlich darauf aufmerksam macht, dass zwei Minuten Zähneputzen am Morgen aber ein bisschen dürftig wären, schließlich lagern sich über Nacht die Bakterien in den Zahnzwischenräumen und eine befreundete Zahnarztfrau hat ihm einmal erklärt... Leider kann ich Ihnen, dem werten Leser, den Rest dieses zahnhygienischen Nachbarschaftshinweises nicht übermitteln, weil ich für gewöhnlich an dieser Stelle nicht mehr im Treppenhaus, sondern schon auf der Straße bin und "Da ist mein Bus" rufend dem Bus hinterher renne, mit dem ich dann um die Ecke biege. Meist ist es die falsche Ecke und mein längerer Weg zur Arbeit gibt mir die Gelegenheit, über meine mangelnde Zahnhygiene zu sinnieren und darüber, ob die beim Zähneputzen gesparte Minute nicht doch wenig wert ist angesichts der Minuten, die ich durchs Besteigen des falschen Busses wieder verliere. Allerdings hege ich den stillen Verdacht, dass mein netter Nachbar auch noch einige Tipps von Bäckersfrauen über mangelndes Frühstück und von Friseurinnen über zu kurzes Föhnen in Petto hat.
Also keine Trillerpfeife. Ich entschied mich - obwohl "Entscheidung" ein viel zu tätigkeitsbeschreibendes Wort für mein damaliges Tun ist - für ein einfaches Weglegen des Telefonhörers. Ich glaube, dass der Herr so seinen Spaß genauso bekommen hat wie ich meinen Schlaf, und ich meine sogar, bemerkt zu haben, dass jener unbekannte Mansch in jener Nacht selbst meinem Schnarchen noch etwas abgewinnen konnte.

... comment

 
Es ist beruhigend
zu lesen, dass auch ein Telefon mit Schnur noch Teil des Kommunikationsbiotops sein kann, wenn auch ein sehr zwiespältiger.
Schlafstörung wegen telefonisch angebotenem Öffnen von „Hakken mitte Ssssungä“, der falsche Bus trotz investiertem zahntechnischen Risiko ... eine schöne Geschichte über die Zusammenhänge, die unser Leben ausmachen! :o)
Eines Lebens mit "Hakken und Össsen..."
Ich bin gespannt, was wir noch von Ihnen lesen werden, außer von Schere und Trillerpfeife natürlich...

... link  


... comment

 
 

draufschau
dreinschau
er & sie
gesucht & gefunden
Kükerich
ordnung & arbeit
was mir fehlt
 
 

start
wünsche
 
 

April 2006
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 1 
 4 
 5 
 7 
 8 
 9 
10
11
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
24
25
26
28
29
 
 

 

  • Einloggen
  •  
     
    Schnattereien
     
    Erstaunlicherweise kann...
    Erstaunlicherweise kann man anscheinend mit viel Willen...
    by schnatterinchen (6. Mai, 16:01)
    hmmmnaja... eigentlich...
    hmmmnaja... eigentlich schon, denke ich. War jetzt...
    by schnatterinchen (6. Mai, 15:54)
    sehr treffend!
    sehr treffend!
    by surety (6. Mai, 13:34)
    interessante Gedanken,...
    interessante Gedanken, die mich zu einem kräftigen...
    by surety (6. Mai, 13:33)
    besser keine Glückwünsche?!?
    besser keine Glückwünsche?!?
    by surety (6. Mai, 13:29)